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Badisch Rheinfelden feierte sein

75-jähriges Stadtjubiläum

 

Reaktionen aus der Schweiz auf die Stadtwerdung Badisch Rheinfeldens im Jahre 1922. - Trotz der vielfältigen Beziehungen, die beide Rheinfelden miteinander verband, erfolgte damals von der schweizerischen Seite des Rheins keine Reaktion auf dieses Ereignis. Wie ist das zu erklären?

Am 7. Oktober 1997 jährt sich zum 75. Mal, dass die Gemeinden Badisch Rheinfelden und Nollingen per Dekret des Badischen Staatsministeriums zur Stadt Rheinfelden (Baden) vereint wurden.

Stadtbildend war der Kraftwerkbau, der als Quelle billiger Stromversorgung bedeutende Industriezweige, besonders chemische Fabriken und deren Zuliefergewerbe anzog. Es war jedoch für die kommunale Entwicklung von Nachteil, dass ein Teil des neuen Industriegeländes auf Karsauer Gebiet lag, während der weit grössere Teil, an den sich auch das Wohngebiet mit einer rasch anwachsenden Bevölkerung anschloss, zu der Gemeinde Nollingen zählte. 1900 kaufte Nollingen für 200'000 Mark den Karsauer Anteil und gliederte ihn der eigenen Gemeinde ein. Damit war das Gebiet des neuen Industrievorortes der Gemeinde Nollingen mit dem Namen "bei Rheinfelden" oder "Badisch Rheinfelden" abgesteckt. Ausserdem liess sich noch 1920 die Gemeinde Warmbach in Badisch Rheinfelden eingemeinden. Es brachte 450 Einwohner in den Bürgerverband mit ein. Somit hatte der Vorort an Einwohnern die eigentliche Muttergemeinde Nollingen bei weitem überrundet.

Jedoch lag die Verwaltung der Gemeinde immer noch in Nollingen, während der kapitalkräftige neue Ortsteil verwaltungstechnisch nur ein Anhängsel war. Um diesem Mißstand abzuhelfen, beschloss die Gemeindeverwaltung, um die Erteilung des Stadtrechts nachzusuchen. Dabei gab es Schwierigkeiten bei der endgültigen Namengebung. Die "Rheinfelder" setzten ihren Namen mit der Argumentation durch, bei zusammengesetzten Gemeinden sei der Name des grösseren Ortsteils als Gesamtname ausschlaggebend. Und so kam die neugebackene Stadt zu ihrem Namen Rheinfelden (Baden).

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INHALTSVERZEICHNIS

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Namenklau
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Konkurrenz
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Austausch von Arbeitskräften
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Bildung und Ausbildung
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Inflation und Konsumverhalten
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Freundschaftliche Beziehungen

Recherchiert und verfasst von

Diemuth Königs

publiziert in Basler Zeitung

Ausgabe Fricktal vom 16. Juli 1997

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Namenklau

Wie reagierte aber nun das Rheinfelden auf der anderen Seite des Rheins, das seinen geschichtsträchtigen Namen schon fast 800 Jahre lang trug, auf diese Namengebung und welche Reaktion erfolgte hier insgesamt auf die nachbarliche Neugründung?

Die damalige Grossherzogliche Bahnverwaltung hatte bereits 1863 auf dem Gebiet, wo fast ein halbes Jahrhundert später die neue Siedlung aus dem Boden wachsen sollte, eine Bahnstation mit dem Namen "bei Rheinfelden" eingerichtet. Der Name war demnach bekannt und hatte 60 Jahre Zeit, sich einzubürgern. Im Laufe der Zeit war er den Bürgern des schweizerischen Rheinfelden, die dort Kurgäste aus Deutschland in Empfang nahmen, derart zur Gewohnheit geworden, dass niemand mehr besondere Notiz von ihm nahm.

Auch die Erhebung zur Stadtgemeinde warf in der schweizerischen Schwesterstadt keine Wellen. Dies war nicht einmal der Presse eine Meldung wert. Offenbar gab es auch keinen Grund dazu. Das gute Einvernehmen, das die beiden Stadtverwaltungen heute untereinander pflegen, existierte damals noch nicht. Und warum sollte das Ereignis, das nicht einmal in Badisch Rheinfelden als spektakulär empfunden wurde, weil es sich dabei um einen reinen Verwaltungsakt handelte, bei den Nachbarn auf der anderen Seite des Rheins besondere Beachtung finden? Es wurde diesseits und jenseits des Rheins als quantité négligeable behandelt.

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Konkurrenz

Eigentlich hätte die neue Stadt mit ihrem bedeutenden industriellen Potential bei den Bürgern der alten Zähringerstadt auf der Schweizer Seite zu Konkurrenz- und Rivalitätsängsten führen können. Dies war jedoch nicht der Fall. Dazu waren die beiden Rheinfelden, obwohl beides Kleinstädte, zu unterschiedlich strukturiert. Während Badisch Rheinfelden überwiegend eine neue uniforme Reissbrettkonstruktion war, stellte sich das andere Rheinfelden als historisch gewachsene Stadt dar, deren Bürger auf die Geschichtsträchtigkeit ihres Gemeinwesens stolz waren und gelassen auf den Parvenu von vis à vis schauten.

Auch in wirtschaftlich-sozialer Hinsicht unterschieden sich die beiden Städte. Badisch Rheinfelden war fast ausschliesslich eine Industriestadt mit umweltbelastender chemischer Grossindustrie. Deshalb war auch der Prozentsatz der Arbeiter an der Wohnbevölkerung sehr hoch.

Das Schweizer Rheinfelden wies hingegen mit zwei Grossbetrieben (den Brauereien Salmen und Feldschlösschen), einer Anzahl mittelständischer und Kleinbetriebe eine gemischte ökonomische Struktur auf. Ausserdem war es ein Kurort, was ihm trotz seiner Behäbigkeit und Biederkeit einen kleinen Hauch von Mondänität verschaffte.

Die Bürgerschaft setzte sich vor allem aus einer kleinen Schicht mittleren Bürgertums, vielen Kleinbürgern, Arbeitern und einigen Landwirten zusammen.

Wohl gerade wegen dieser unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Strukturen konnten sich die Einwohner beider Rheinfelden gegenseitig ergänzen.

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Austausch von Arbeitskräften

Die Industriebetriebe von Badisch Rheinfelden verlangten Arbeitskräfte, welche nicht allein aus der unmittelbaren Agglomeration rekrutiert werden konnten. So fanden auch Arbeiter aus dem benachbarten Rheinfelden in der badischen Schwesterstadt ihr Auskommen. Aber auch in den Chefetagen dieser Betriebe waren Schweizer aus Rheinfelden vertreten.

Die meisten Arbeitnehmer aus der Schweiz benützten als Arbeitsweg die obere Rheinbrücke, wo beim Restaurant "Rheinlust" oft eine Pause eingelegt wurde, was die zahlreichen Einritzungen am runden Tisch des Restaurants bezeugen.

Auch Bauern von der Schweizer Seite bewirtschafteten und bewirtschaften Land um Badisch Rheinfelden.

Umgekehrt wurden aber auch Arbeitskräfte aus der badischen Nachbarschaft in Schweizer Betriebe importiert. So beschäftigte z. B. die Stumpenfabrik Wuhrmann deutsche Arbeiter. Ausserdem war es üblich, dass die begüterten Haushalte weibliche Dienstboten aus der badischen Nachbarregion einstellten. Auch die Hotelbetriebe Rheinfeldens profitierten von dem dortigen Überangebot an Arbeitskräften, das durch die Arbeitslosigkeit der unmittelbaren Nachkriegszeit bedingt war, und boten Frauen und Männern Lohn und Auskommen.

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Bildung und Ausbildung

In Badisch Rheinfelden gab es 1922 noch kein Gymnasium. Deshalb nutzten Eltern, die es sich leisten konnten, das Bildungsangebot der Nachbarstadt und schickten dort ihre Kinder, besonders die Söhne, in die Bezirksschule.

Da nach dem Ersten Weltkrieg ein Mangel an Lehrstellen in Badisch Rheinfelden herrschte, zog es die jungen Leute in die alte Zähringerstadt, um dort eine Lehre zu absolvieren. So stammten z. B. zu Beginn der Zwanzigerjahre sämtliche Lehrtöchter in der Schneiderbranche aus dem Badischen.

Selbst einige Geschäftsinhaber kamen aus der deutschen Nachbarschaft.

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Inflation und Konsumverhalten

Im Sommer 1922 begann in Deutschland die galoppierende Inflation. Die Mark besass nur noch ein Hundertstel ihres Vorkriegswertes. Diese Situation verlockte manchen Bürger von der Schweizer Seite, den Verfall der deutschen Währung zu seinen Gunsten auszunützen. Viele gingen über die Grenze nach Deutschland, manche, die lieber nicht erkannt werden wollten, bei Nacht und Nebel, um sich in Badisch Rheinfelden günstig mit Wert- und Gebrauchsgegenständen jeder Art einzudecken, die von Geschäfts- aber auch von Privatleuten auf den Markt geworfen wurden.

Lebensmittel waren im Gegensatz zu heute nicht gefragt. Dazu war das deutsche Nachkriegsangebot zu armselig. Ausserdem waren gewisse Grundnahrungsmittel wie Brot, Fleisch, Käse oder Salz auf der Schweizer Seite billiger und wurden auch schon vor dem Krieg an deutsche Kundschaft - allerdings in Kleinstmengen - verkauft.

Wider Erwarten führte dieses habgierige Verhalten nicht zu bösem Blut. Erhielten doch die Leute aus Badisch Rheinfelden im Gegenzug Devisen, mit denen sie in der Schweiz Lebensmittel, die zu dieser Zeit in Deutschland rar und teuer waren, einkaufen konnten.

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Freundschaftliche Beziehungen

Vor dem Ersten Weltkrieg waren die Bande zwischen den Bewohnern von Schweizer Rheinfelden und den benachbarten badischen Gemeinden beinahe familiär. Dafür sorgten besonders auch die "Mischehen", welche viele Familien diesseits und jenseits des Rheins verbanden. Es waren vor allem Frauen aus der badischen Nachbarschaft, die in die Schweiz einheirateten.

Zwar brachte der Krieg eine kleine Abkühlung in diese völkerverbindende Freundschaft, jedoch war die Zäsur längst nicht so stark wie nach dem Zweiten Weltkrieg, sodass nach Kriegsende die gegenseitigen menschlichen Kontakte ohne gegenseitige Ressentiments wieder aufgenommen wurden. Dabei tat auch der Pass, der nun beim Passieren der Rheinbrücke notwendig geworden war, keinen Abbruch.

Nach wie vor flanierten an Sonn- und Feiertagen viele Familien aus Badisch Rheinfelden in die Schwesterstadt in der Schweiz, um sich dort entweder am Kurkonzert oder ganz einfach an der anderen Atmosphäre zu erfreuen. Auch die Theatervorstellungen in der Kapuzinerkapelle gehörten zum kulturellen Angebot Rheinfeldens, das die deutschen Nachbarn rege nutzten. Ferner zogen Tanzveranstaltungen Leute aus Badisch Rheinfelden an und an der Fasnacht herrschte ein eifriges Hin und Her.

Lebenslange Freundschaften über die Grenzen, wurden an den jeweiligen Arbeitsorten geschlossen. Sie wurden aber auch schon in jungen Jahren angelegt, wenn die Kinder beider Rheinfelden sich gemeinsam beim Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen Salmenweiher vergnügten.

Auch die Zugehörigkeit zur katholischen Konfession schuf verbindende Brücken über den Rhein. Da die Bevölkerung der alten Zähringerstadt mehrheitlich christkatholisch war, nutzte deren katholische Bürger, die sich als religiöse Minderheit diskriminiert fühlte, die Infrastruktur der katholischen Kirche jenseits des Rheins. So besuchten Kinder aus katholischen Familien den katholischen Kindergarten in Badisch Rheinfelden und die Frauen waren in den dortigen katholischen Frauenverbänden organisiert. An Fronleichnam pilgerten zahlreiche Gläubige in die badische Nachbarstadt, um dort an der Fronleichnamsprozession teilzunehmen.

Wenn nun das Motto des diesjährigen Jubeljahres "Rheinfelden verbindet" heisst, so ist dies nichts Neues. Auf vielschichtige Art sind die beiden Kommunen schon seit Generationen verbunden. Daran änderte auch die Vergabe des Stadtrechts an Badisch Rheinfelden nichts.

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Zuletzt geändert am: 01. April 2013