Ein neues historisches Buch samt CD-ROM beschäftigt sich mit der Geschichte der Helvetik, welche für die Schweiz und insbesondere für den Kanton Aargau eine Umbruchszeit mit vielen Wirren darstellte.
Pünktlich zum Jubiläumsjahr 1998 (200 Jahre Helvetik) würdigt der Kanton Aargau mit einem Buch samt begleitender CD-ROM die Zeit der Helvetik. Dies geschieht nicht ohne Grund. Hat doch der Kanton Aargau einen ganz besonderen Bezug zu dieser ersten schweizerischen Republik. So nahm in Aarau die Helvetik ihren Anfang und hier wurde die Helvetische Republik ausgerufen. Im Aargau begann aber auch mit dem sog. "Stecklikrieg" der Untergang der Helvetischen Republik. Nicht zuletzt verdankt der Kanton Aargau seine heutige Gestalt der Helvetik.
Im Auftrag des Kantons untersuchte ein Historikerinnen- und Historikerteam in zweijähriger Forschungsarbeit die Helvetik unter verschiedenen Aspekten. Der Einsatz hat sich gelohnt. Aus der Teamarbeit entstand ein wertvolles, lesenswertes Buch.
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INHALTSVERZEICHNIS
Buchrezension von Diemuth Königspubliziert in Basler Zeitung - Ausgabe Fricktal vom 11. Dezember 1997 |
Das Buch: "Revolution im Aargau"Umsturz - Aufbruch - Widerstandhrsg. vom Verein "Forschungsprojekt Aargau 1798"Aarau 1997 |
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Kaum hatten die Gesandten der Tagsatzung Aarau den Rücken gekehrt, wurde hier am 1. Februar 1798 der revolutionäre Freiheitsbaum errichtet. Dies bedeutete den Bruch mit Bern. Am 12. April desselben Jahres rief der Basler, Peter Ochs, in Aarau die Helvetische Republik aus. Als Anerkennung für seine revolutionäre Gesinnung wurde Aarau, bekannt als "Jakobinernest", für kurze Zeit die Hauptstadt dieser Republik, bevor ihm Luzern und Bern den Rang abliefen. Auffallend viele Revolutionäre, die später in der helvetischen Republik als Amtsträger fungierten, stammten aus dem Aargau. Die Revolution im Aargau kam auf französischen Druck zustande. Die inneren Kräfte alleine waren für den Umsturz zu schwach, da nur das städtische Bildungsbürgertum die Ideale der Französischen Revolution adaptiert hatte und diese, dem eigenen Land angepasst, umsetzen wollte. Die regional verschiedenen Herrschaftsstrukturen, die Unterschiede zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung, in Religion und Tradition sorgten dafür, dass sich in den vier Regionen des heutigen Kantons Aargau die Umbruchzeit der Helvetik unterschiedlich auswirkte. Hier ist besonders das Fricktal zu erwähnen, das bis zum Frieden von Campo Formio zu Oesterreich gehörte. Vier Staatsstreiche hatte die neue Ordnung auszuhalten. Die ehemaligen Herrschaften reagierten effizient und setzten 1802 zum Todesstoss gegen die Helvetische Republik an. Napoleon, der sich zum Schiedsrichter zwischen den verfeindeten schweizerischen Parteien machte, beendete in Paris 1803 mit der Mediationsverfassung die Unruhen in der Schweiz. Als Folge diplomatischer Verhandlungen, welche die Schaffung der Mediationsakte begleiteten, entstand der Kanton Aargau in seiner heutigen Gestalt. Er wurde aus vier ehemaligen Untertanengebieten zusammengestückelt: dem Berner Aarau, aus dem 1798 der Kanton Aargau hervorgegangen war, den Freien Aemtern, dem 1798 geschaffenen Kanton Baden, hervorgegangen aus der Grafschaft Baden und dem Fricktal, das kurzfristig auch als eigenständiger Kanton fungierte. Freiheit und Gleichheit nicht für alle Die Helvetische Verfassung war die erste geschriebene Verfassung der Schweiz und stellte einen radikalen Bruch mit dem Ancien Regime dar. Sie basierte auf den Prinzipien der Französischen Revolution. Alle Bürger und Niedergelassenen auch die der Untertanengebiete wurden Schweizer Bürger. Die Helvetische Republik war wie das französische Vorbild ein zentralistischer Einheitsstaat, der in 21 Kantone und zahlreiche Distrikte gegliedert war. Die unterste Verwaltungseinheit bildeten die Munizipalitäten (Gemeinden). Für Frauen galten die Ideale "Freiheit und Gleichheit" nicht. Sie waren wie bisher vom Stimm- und Wahlrecht ausgeschlossen und blieben rechtlich bevormundet. Auch die Juden erhielten kein Bürgerrecht. Neue Symbole wie das Tragen der Kokarde in den Farben der Helvetik, die gegenseitige Anrede mit "Bürger" und der Bürgereid auf die Verfassung sollten die Bürger auf die neue Ordnung einschwören. Mit der Abschaffung der Feudallasten und Einführung der Gewerbe- und Handelsfreiheit bahnte sich eine "privatisierte und liberalisierte" Wirtschaftspolitik in der Landwirtschaft und in der Industrie an. |
Die Helvetische Republik fand bei der Mehrheit ihrer Bürger und somit auch im Aargau keine grosse Akzeptanz. Die staatlichen Neuerungen griffen nicht schnell genug und scheiterten häufig am Widerstand der ehemaligen aristokratischen Elite. Die katholische Landbevölkerung lehnte die neue Ordnung ab, weil sie um den Bestand ihrer "wirtschaftlichen, religiösen und politischen Traditionen" fürchtete. Anfänglich war der Widerstand gegen die neue Ordnung im Aargau nicht relevant. Jedoch führte die Wühlarbeit der ehemaligen entmachteten Elite, welche illegal Truppen im Aargau aushob, um diese gegen die Republik einzusetzen und die Unzufriedenheit der katholischen Landbevölkerung in den Freien Aemtern, die um die Auflösung ihre religiösen Traditionen bangte, welche das Gemeinde- und Wirtschaftsleben regelten, zu einem brisanten Gemisch. Dieses entzündete sich schliesslich an der Unzufriedenheit der Bauern im Kanton Baden. Die Verwüstungen, die hier der zweite Koalitionskrieg (Oesterreicher und Russen kämpften u.a. auch auf dem Gebiet der Schweiz gegen die Franzosen) verursacht hatte, die Lasten der französischen Besatzung und die Frustration darüber, dass die Grundzinsen und der Zehnte doch nicht aufgehoben worden waren, sondern nur gegen eine Ablösesumme entfielen, hatten das Fass zum Ueberlaufen gebracht. Nachdem 1802 die französischen Truppen, Garanten der neuen Ordnung, abgezogen waren, kam es bei Baden zu bürgerkriegsähnlichen Revolten, dem. sog. "Stecklikrieg", der rasch zum Zusammenbruch der Helvetischen Republik führte. Die Landbevölkerung um Endingen und Lengnau kanalisierte ihre enttäuschten Hoffnungen, die sie anfänglich in die neue Ordnung gesetzt hatte, mit pogromartigen Ueberfällen auf die beiden jüdischen Gemeinden, Endingen und Lengnau. Mochte auch die Helvetische Republik gescheitert sein, so hatte doch die Revolution "die politische Landschaft der Eidgenossen" derart nachhaltig umgeformt, dass eine Rückkehr zu den alten Herrschaftsverhältnissen nicht mehr möglich war. In dem Sammelband wurden neueste Forschungsergebnisse zusammengetragen, welche Lücken in der Geschichte des Aargaus schliessen. Hierbei sind besonders die wissenschaftlichen Erträge auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialgeschichte und der Mentalitäts- und Alltagsgeschichte zu erwähnen. Leider kommt die Frauengeschichte zu kurz. Das Buch vermittelt einen gründlichen Einblick in die wirre Zeit der Helvetik. Es ist übersichtlich gegliedert und mit zahlreichen Illustrationen versehen. Kopfzeilen kommentieren den Text. Der Sammelband ist im landläufigen Sinne kein populärwissenschaftliches Werk und setzt einiges an historischen Kenntnissen voraus. Trotzdem will er keine Insiderlektüre sein, sondern ein breites Publikum erreichen. Eine dem Buch beigegebene CD-ROM ermöglicht dem Leser spielerisch den Einstieg in die Lektüre und verdeutlicht bildhaft einzelne Themen des Buches. Interessant sind die helvetischen Statistiken, ein Novum der damaligen Zeit, die auf der CD-ROM abgerufen werden können. |
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